Ankaufsuntersuchung eines Pferdes und die Haftung des Tierarztes
Ein Tierarzt, der seine Pflichten aus einem Vertrag über die Ankaufsuntersuchung eines Pferdes verletzt und deshalb einen unzutreffenden Befund erstellt hat, haftet seinem Vertragspartner auf Ersatz des Schadens, der diesem dadurch entstanden ist, dass er das Pferd aufgrund des fehlerhaften Befundes erworben hat.
Beruht der fehlerhafte Befund darauf, dass der Tierarzt einen Mangel des Pferdes nicht erkannt oder seinem Vertragspartner nicht mitgeteilt hat, haftet er mit dem zu Schadensersatz oder Rückgewähr verpflichteten Verkäufer des Pferdes als Gesamtschuldner.
Nach dem im Revisionsverfahren zu unterstellenden Sachverhalt hat der Beklagte die sich aus dem Vertrag über die Durchführung der Ankaufsuntersuchung ergebenden Pflichten verletzt und insoweit seine Leistung nicht wie geschuldet erbracht. Der mit der Ankaufsuntersuchung beauftragte Tierarzt schuldet einen fehlerfreien Befund. Erfüllt er insoweit seine Pflichten nicht, haftet er, weil der Vertrag als Werkvertrag einzuordnen ist, gemäß § 634 Nr. 4, § 280 Abs. 1 BGB auf Ersatz des Schadens, der bei dem Vertragspartner dadurch entstanden ist, dass er das Pferd aufgrund des fehlerhaften Befundes erworben hat. In der Revision ist zu unterstellen, dass die geltend gemachten Unterbringungs- und Behandlungskosten – worüber die Parteien streiten – ein ersatzfähiger Schaden sind.
Die Verpflichtungen des Verkäufers und des Tierarztes auf Ersatz der Unterbringungs- und Behandlungskosten stehen gleichstufig nebeneinander.
Allerdings wird in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte eine Gleichstufigkeit der Haftung des Verkäufers mit derjenigen des Tierarztes teilweise unter Hinweis darauf verneint, vom Verkäufer verlange der Käufer das positive Interesse, vom Tierarzt hingegen das negative Interesse. Der Käufer müsse deshalb zunächst den Verkäufer in Anspruch nehmen, soweit das positive Interesse auch das gegen den Tierarzt geltend gemachte negative Interesse darstelle. Der Verkäufer sei “näher am Schadensgeschehen dran”, dem Tierarzt komme nur eine Beratungsfunktion zu.
Dem kann nicht gefolgt werden.
Die Gleichstufigkeit der Verpflichtungen ergibt sich daraus, dass sowohl der Verkäufer als auch der Tierarzt die Unterbringungs- und Behandlungskosten mit einer Geldzahlung ersetzen müssen, ohne dass einer der Schuldner nur subsidiär oder vorläufig für die andere Verpflichtung einstehen muss. Auf die Einordnung als Verwendungsersatz gemäß § 347 Abs. 2 BGB oder als Schadensersatz kommt es ebenso wenig an wie auf die Frage, ob ein Anspruch auf Ersatz des negativen Interesses oder des positiven Interesses geltend gemacht wird. Auch ist unerheblich, dass der Verkäufer möglicherweise trotz fehlenden Verschuldens haftet, während die Haftung des Tierarztes Verschulden voraussetzt. Entscheidend ist allein, dass sowohl der Verkäufer als auch der Tierarzt verpflichtet sind, die Unterbringungs- und Behandlungskosten zu ersetzen. Insoweit wird ein inhaltsgleiches Gläubigerinteresse befriedigt. Sowohl der Verkäufer als auch der Tierarzt haben für die Beseitigung des gleichartigen Vermögensnachteils einzustehen, den der Käufer dadurch erlitten hat, dass jeder von ihnen seine vertraglichen Pflichten nicht erfüllt hat. Es kommt auch nicht darauf an, dass Verkäufer und Tierarzt, bezogen auf das Kaufgeschäft, nicht im selben Lager stehen und kein gemeinsames Interesse verfolgen. Ohne Belang ist auch, dass Verkäufer und Tierarzt unterschiedliche Hauptleistungspflichten zu erfüllen haben.
Daran ändern auch nichts die Erwägungen, mit denen eine größere Sachnähe des Verkäufers begründet wird. Diese Erwägungen lassen im Übrigen unberücksichtigt, dass der Tierarzt mit einem fehlerhaften Befund zur Ankaufsuntersuchung die eigentliche Ursache für den Ankauf gesetzt haben kann und bagatellisieren zu Unrecht die Aufklärungsfunktion der Ankaufsuntersuchung.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 22. Dezember 2011 – VII ZR 7/11