Biberschäden

Wildtierschäden als solche sind keineswegs unüblich und nicht mit ungewöhnlichen Schadensereignissen i.S. des § 33 EStG vergleichbar. Mit einem Wildtierschaden in Zusammenhang stehende Aufwendungen zur Beseitigung konkreter, von einem Gegenstand des existenznotwendigen Bedarfs ausgehender Gesundheitsgefahren erlauben deshalb keine Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastungen.

Daher sind auch Aufwendungen, die für die Beseitigung der durch Biber verursachten Schäden und zum Schutz vor weiterer Schäden getätigt wurden, nicht als außergewöhnliche Belastungen i.S. des § 33 EStG abzugsfähig.

In dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Streitfall hatte ein Ehepaar geklagt, die ein Einfamilienhaus bewohnen, dessen Garten an ein natürliches Gewässer angrenzt, in dem sich in den letzten Jahren -sehr zur Freude der Naturschützer- der in Deutschland fast ausgestorbene Biber wieder angesiedelt hat. Diese Freude konnten die beiden Hauseigentümer nur bedingt teilen, da die Biber auf ihrem Grundstück erhebliche Schäden anrichteten. So senkte sich durch die Anlage des Biberbaus nicht nur ein Teil der Rasenfläche ab, betroffen war auch die Terrasse, die auf ca. 8 m Länge zu einem Drittel absackte. Dem standen die Hauseigentümer relativ machtlos gegenüber, da die Biber unter strengem Naturschutz stehen und daher weder bejagt noch vergrämt werden dürfen. Im Einvernehmen mit der Naturschutzbehörde  ließen die Hauseigentümer schließlich  eine „Bibersperre“ errichten. Deren Kosten und die Kosten für die Beseitigung der Biberschäden an Terrasse und Garten von insgesamt rund 4.000 € machten die Hauseigentümer als außergewöhnliche Belastung geltend.

Ebenso wie zuvor bereits das Finanzgericht Köln1 lehnte nun auch der Bundesfinanzhof einen Abzug der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung ab. Wildtierschäden bzw. Schutzmaßnahmen zur Vermeidung solcher seien keineswegs unüblich und nicht mit anderen ungewöhnlichen Schadensereignissen i.S. des § 33 EStG (wie z.B. Brand oder Hochwasser) vergleichbar. Mit einem entstandenen oder drohenden Wildtierschaden in Zusammenhang stehende Aufwendungen erlaubten deshalb auch dann keine Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastungen, wenn mit den Maßnahmen konkrete, von einem Gegenstand des existenznotwendigen Bedarfs (wie etwa dem eigenen Einfamilienhaus) ausgehende Gesundheitsgefahren beseitigt bzw. vermieden würden. Es sei nicht Aufgabe des Steuerrechts, für einen Ausgleich von durch Wildtiere verursachter Schäden bzw. für die zur Vermeidung solcher Schäden notwendigen Präventionsmaßnahmen über eine entsprechende Abzugsmöglichkeit nach § 33 EStG Sorge zu tragen. Es obliege vielmehr dem Naturschutzrecht etwa durch Errichtung entsprechender Fonds- für einen Schadensausgleich bzw. Präventionsschutz zu sorgen.

Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung übersteigt; vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird (§ 33 Abs. 1 EStG). Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).

Ziel des § 33 EStG ist es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sind Aufwendungen außergewöhnlich, wenn sie nicht nur ihrer Höhe, sondern auch ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen2. Vom Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen sind dagegen die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind3. Dies gilt auch dann, wenn die Aufwendungen einen grundrechtlich geschützten Bereich betreffen4.

Bei Heranziehung dieser Rechtsgrundsätze sind die Aufwendungen, die den Hauseigentümern im Streitfall für die Beseitigung der nach den bindenden Feststellungen des Finanzgericht (§ 118 Abs. 2 FGO) von Bibern verursachten Schäden im Garten und an der Terrasse sowie für die Bibersperre entstanden sind, nicht als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigungsfähig.

Die streitigen Aufwendungen sind bereits dem Grunde nach nicht außergewöhnlich. Denn Wildtierschäden sind keineswegs unüblich. Wildtierarten, die über Jahrzehnte in der deutschen Kulturlandschaft ausgestorben oder stark zurückgedrängt waren, sind in der Bundesrepublik Deutschland -zum Teil erfolgreich gefördert- wieder heimisch geworden und breiten sich aus. Vielfältige Wildtierpopulationen haben sich auch in den Siedlungsräumen etabliert. Wildtiere können je nach Wildtierart zum Teil beträchtliche Schäden verursachen. Ebenso können Wildtierpopulationen -insbesondere in Siedlungsräumen- Maßnahmen zur Vermeidung oder Verringerung entsprechender Wildschäden erfordern, wie z.B. die Errichtung von Barrieren und Zäunen, die Vergrämung von Wildtieren oder die Steuerung des Habitats5.

Aufwendungen zur Beseitigung von Schäden durch Wildtiere und für Maßnahmen zur Vermeidung von Wildtierschäden sind daher nicht mit ungewöhnlichen Schadensereignissen i.S. des § 33 EStG, etwa mit Schäden aufgrund von Brand, Hochwasser oder einer „privaten Katastrophe“6, vergleichbar. Aufwendungen in Zusammenhang mit Wildtierschäden erlauben folglich grundsätzlich keine Ermäßigung der Einkommensteuer nach § 33 EStG, selbst wenn sie zur Beseitigung konkreter, von einem Gegenstand des existenznotwendigen Bedarfs ausgehender Gesundheitsgefahren geleistet werden7.

Schließlich ist es auch nicht Aufgabe des Steuerrechts, für einen Ausgleich von durch Wildtiere verursachten Schäden über eine entsprechende Abzugsmöglichkeit nach § 33 EStG Sorge zu tragen. Dies gilt selbst dann, wenn die Steuerpflichtigen Schäden erleiden, die sie aufgrund naturschutzrechtlicher Regelungen, die effektive Schutzmaßnahmen verbieten, nicht vermeiden können. Insoweit ist es vielmehr Aufgabe des Naturschutzrechts, durch ein urbanes Wildtiermanagement Schäden zu vermeiden8 und -so der Gesetzgeber dies für erforderlich hält- durch die Errichtung entsprechender Fonds für einen Schadensausgleich zu sorgen.

Da eine Berücksichtigung der streitigen Aufwendungen nach § 33 EStG folglich ausscheidet, hat das Finanzamt die nachgewiesenen Lohnkosten jedoch zutreffend als Handwerkerleistungen nach § 35a Abs. 3 EStG angesetzt.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 1. Oktober 2020 – VI R 42/18

  1. FG Köln, Urteil vom 01.12.2017 – 3 K 625/17 []
  2. zuletzt BFH, Urteil vom 22.10.2019 – VI R 48/17, Rz 11, m.w.N. []
  3. BFH, Beschluss vom 21.02.2018 – VI R 11/16, BFHE 260, 507, BStBl II 2018, 469, Rz 22, m.w.N. []
  4. BFH, Urteil vom 10.03.2015 – VI R 60/11, BFHE 249, 468, BStBl II 2015, 695, Rz 16 []
  5. Peerenboom, Geva/Betge, Fanny/Janko, Christof/Storch, Ilse, Wildtiermanagement im Siedlungsraum – Ein Handbuch für Kreise und Kommunen in Baden-Württemberg, Freiburg im Breisgau 2020 []
  6. s. BFH, Urteil vom 06.05.1994 – III R 27/92, BFHE 175, 332, BStBl II 1995, 104 []
  7. s. BFH, Urteil vom 20.01.2016 – VI R 19/14, Rz 25; BFH, Beschluss vom 28.03.2018 – VI B 106/17, Rz 9, und BFH, Beschluss vom 19.06.2006 – III B 37/05, BFH/NV 2006, 2057, unter II. 2.a – jeweils betreffend ebenfalls nicht unübliche Baumängel []
  8. dazu näher Peerenboom, Geva/Betge, Fanny/Janko, Christof/Storch, Ilse, a.a.O. []