Pensionspferdehaltung zu Zuchtzwecken – und die Umsatzsteuer

Die Anwendung der Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG auf Dienstleistungen eines Land- oder Forstwirts ist – entgegen Abschn. 24.3. Abs. 5 und Abs. 11 Satz 2 UStAE – nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil der Dienstleistungsempfänger kein Land- oder Forstwirt ist. Ein Landwirt hat keinen Anspruch auf die Anwendung der Durchschnittssatzbesteuerung für im Rahmen einer Pensionspferdehaltung zu Zuchtzwecken erbrachte Dienstleistungen, wenn die Pferde nicht zu land- oder forstwirtschaftlichen Zwecken genutzt werden.

Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG in der im Streitjahr 2005 geltenden Fassung wird für “die im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs ausgeführten Umsätze” vorbehaltlich der Sätze 2 bis 4 die Steuer für die nicht näher bezeichneten -hier einschlägigen- “übrigen Umsätze” auf 9 % der Bemessungsgrundlage festgesetzt. Die Vorsteuerbeträge werden, soweit sie den “übrigen Umsätzen” zuzurechnen sind, auf 9 % der Bemessungsgrundlage für diese Umsätze festgesetzt; ein weiterer Vorsteuerabzug entfällt (§ 24 Abs. 1 Sätze 3 und 4 UStG). Durch diese Regelungen gleichen sich Steuer und Vorsteuer aus, so dass der Landwirt im Ergebnis für diese Umsätze keine Umsatzsteuer zu entrichten hat.

Als land- und forstwirtschaftlicher Betrieb gelten nach § 24 Abs. 2 Satz 1 UStG

  1. die Landwirtschaft, die Forstwirtschaft, der Wein, Garten, Obst- und Gemüsebau, die Baumschulen, alle Betriebe, die Pflanzen und Pflanzenteile mit Hilfe der Naturkräfte gewinnen, die Binnenfischerei, die Teichwirtschaft, die Fischzucht für die Binnenfischerei und Teichwirtschaft, die Imkerei, die Wanderschäferei sowie die Saatzucht;
  2. Tierzucht- und Tierhaltungsbetriebe, soweit ihre Tierbestände nach den §§ 51 und 51a des Bewertungsgesetzes zur landwirtschaftlichen Nutzung gehören.

Zum land- und forstwirtschaftlichen Betrieb gehören nach § 24 Abs. 2 Satz 2 UStG auch die Nebenbetriebe, die dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zu dienen bestimmt sind.

§ 24 UStG ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs richtlinienkonform entsprechend Art. 25 der Richtlinie 77/388/EWG -bzw. seit dem 1.01.2007 nach Art. 295 ff. der MwStSystRL- auszulegen.

§ 24 UStG “beruht” nach der Gesetzesbegründung auf Art. 25 der Richtlinie 77/388/EWG. Der deutsche Gesetzgeber hat die unionsrechtlichen Vorgaben aber bislang lediglich dadurch “umgesetzt”, dass er die bei der Verabschiedung der Richtlinie 77/388/EWG bestehende nationale Regelung im Wesentlichen fortgeführt hat.

Nach Art. 25 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG können die Mitgliedstaaten auf landwirtschaftliche Erzeuger, bei denen die Anwendung der normalen Mehrwertsteuerregelung oder ggf. der vereinfachten Regelung nach Art. 24 der Richtlinie 77/388/EWG auf Schwierigkeiten stoßen würde, als Ausgleich für die Belastung durch die Mehrwertsteuer, die auf die von Pauschallandwirten bezogenen Gegenstände und Dienstleistungen bezahlt wird, eine Pauschalregelung anwenden.

Als landwirtschaftliche Dienstleistungen i.S. von Art. 25 Abs. 2 fünfter Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG gelten die in Anhang B aufgeführten Leistungen, die von einem landwirtschaftlichen Erzeuger mit Hilfe seiner Arbeitskräfte und/oder der normalen Ausrüstung seines landwirtschaftlichen, forstwirtschaftlichen oder Fischereibetriebs vorgenommen werden. Nach Anhang B der Richtlinie 77/388/EWG sind dies Dienstleistungen, die normalerweise zur landwirtschaftlichen Produktion beitragen, insbesondere nach dem vierten Gedankenstrich dieser Bestimmung “Hüten, Zucht und Mästen von Vieh”.

Dem entsprechen die seit dem 1.01.2007 geltenden unionsrechtlichen Vorgaben in Art. 296 der MwStSystRL sowie in Art. 295 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. Anhang – VIII Nr. 4 der MwStSystRL.

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union gilt Art. 25 der Richtlinie 77/388/EWG (bzw. seit dem 1.01.2007 Art. 296 Abs. 1 der MwStSystRL) nur für die Lieferung landwirtschaftlicher Erzeugnisse und die Erbringung landwirtschaftlicher Dienstleistungen, wie sie in Abs. 2 dieser Bestimmung (bzw. seit dem 1.01.2007 Art. 295 Abs. 1 Nr. 5 der MwStSystRL) definiert sind; dagegen unterliegen die sonstigen Umsätze der Pauschallandwirte der allgemeinen Besteuerungsregelung.

Dabei ist die Sonderregelung nach Art. 25 der Richtlinie 77/388/EWG (bzw. seit dem 1.01.2007 Art. 296 der MwStSystRL) eng auszulegen und darüber hinaus nur insoweit anzuwenden, als dies zur Erreichung ihres Zieles erforderlich ist. Dieses Ziel besteht darin, die Belastung durch die Steuer auf von den Landwirten bezogene Gegenstände und Dienstleistungen dadurch auszugleichen, dass den landwirtschaftlichen Erzeugern, die ihre Tätigkeit im Rahmen eines landwirtschaftlichen, forstwirtschaftlichen oder Fischereibetriebs ausüben, ein Pauschalausgleich gezahlt wird, wenn sie landwirtschaftliche Erzeugnisse liefern oder landwirtschaftliche Dienstleistungen erbringen.

Als “landwirtschaftliche Dienstleistungen” sind daher nicht Leistungen anzusehen, die keinen landwirtschaftlichen Zwecken dienen und sich nicht auf normalerweise in land, forst- und fischwirtschaftlichen Betrieben verwendete Mittel beziehen.

Dieser Auslegung folgt die Rechtsprechung des BFH. Danach unterliegen insbesondere die Umsätze eines Landwirts aus dem Einstellen, Füttern und Betreuen von Reitpferden (sog. Pensionspferdehaltung) nicht der Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG. Dies gilt auch für die Pensionspferdehaltung von Freizeitpferden.

Nach der Rechtsprechung des Unionsgerichtshofs ist in der Regel jede Lieferung oder Dienstleistung als eigene, selbständige Leistung zu betrachten. Bei einem Umsatz, der ein Bündel von Einzelleistungen und Handlungen umfasst, ist aber im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu bestimmen, ob zwei oder mehr getrennte Umsätze vorliegen oder ein einheitlicher Umsatz. Dabei sind unter Berücksichtigung eines Durchschnittsverbrauchers die charakteristischen Merkmale des Umsatzes zu ermitteln. Insoweit darf einerseits eine wirtschaftlich einheitliche Leistung nicht künstlich aufgespalten werden. Andererseits sind mehrere formal getrennt erbrachte Einzelumsätze als einheitlicher Umsatz anzusehen, wenn sie nicht selbständig sind.

Ob im konkreten Fall eine einheitliche Leistung vorliegt, haben im Rahmen der mit Art. 267 AEUV errichteten Zusammenarbeit die nationalen Gerichte festzustellen, die dazu alle endgültigen Tatsachenbeurteilungen vorzunehmen haben. Die erforderliche Gesamtbetrachtung ist im Wesentlichen das Ergebnis einer tatsächlichen Würdigung durch das Finnazgericht, die den Bundesfinanzhof grundsätzlich gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindet.

Ausgehend hiervon ist im vorliegenden Fall die Würdigung des Niedersächsischen Finanzgerichts nicht zu beanstanden, wonach die vom Kläger gegenüber den Einstellern erbrachten Zucht- und Pensionsleistungen aus der Sicht eines objektiven Durchschnittsverbrauchers einen einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang darstellen, dessen einzelne Leistungsbestandteile derart eng miteinander verbunden sind, dass eine Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre.

Das Finanzgericht weist zutreffend darauf hin, dass der Kläger die Zuchtleistungen nur erbringen konnte, wenn er die Pferde der Einsteller zugleich in Pension nahm. Pensions- und Zuchtleistungen seien besonders aufeinander abgestimmt (spezielles Futter für Stuten und Fohlen, Bewegung und Kontrolle der Stuten während der Trächtigkeit, Geburtsbegleitung durch fachliche und elektronische Überwachung, Aufzucht der Fohlen in Gruppenhaltung, Ausbildung auf den hofeigenen Reitanlagen etc.).

Dem Niedersächsischen Finanzgericht ist auch darin zu folgen, dass sich an dieser Beurteilung nicht deshalb etwas ändert, weil die Pensionsleistungen und zusätzlich erbrachte Zuchtleistungen getrennt voneinander abgerechnet worden seien. Denn bei der gebotenen Gesamtbetrachtung kommt dem Umstand, ob ein Gesamtpreis in Rechnung gestellt wird, nach der Rechtsprechung des EuGH keine entscheidende Bedeutung zu, auch wenn es für das Vorliegen einer einheitlichen Leistung sprechen kann, wenn ein Leistungserbringer seinen Kunden eine aus mehreren Teilen zusammengesetzte Dienstleistung gegen Zahlung eines Gesamtpreises erbringt.

Entgegen der Auffassung des Niedersächsischen Finanzgerichts sind die von dem Kläger erbrachten Pensionsleistungen zu Zuchtzwecken aber nicht allein deshalb von der Anwendung der Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG ausgeschlossen, weil die Halter keine Land- oder Forstwirte sind.

Die Beantwortung dieser Rechtsfrage ist umstritten. Während teilweise die Auffassung der Finanzverwaltung geteilt wird, eine “Pensionsleistung” an einen Nichtlandwirt bzw. Nichtforstwirt trage von vornherein nicht zur landwirtschaftlichen Produktion bei und diene keinen landwirtschaftlichen Zwecken (Abschn. 24.03. Abs. 5 und Abs. 11 Satz 2 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses -UStAE-; FG Münster, Urteil vom 18.08.2009 15 K 3176/05 U, EFG 2009, 1979; so wohl auch Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 13.02.2009 1 K 107/08 U, EFG 2009, 877, sowie Windecker in Plückebaum/Widmann, UStG, § 24 Rz 148 f.), wird diese Einschränkung auch abgelehnt bzw. für zweifelhaft gehalten.

Die Einschränkung der Anwendung der Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG bei Dienstleistungen dahingehend, dass diese an Land- oder Forstwirte erbracht werden müssen, hält der Bundesfinanzhof nicht für gerechtfertigt.

Eine derartige Begrenzung des Anwendungsbereichs der Pauschalbesteuerung lässt sich weder den unionsrechtlichen Vorgaben noch den einschlägigen nationalen Bestimmungen entnehmen. Insbesondere Anhang B vierter Gedankenstrich zu Art. 25 der Richtlinie 77/388/EWG und Anhang – VIII Nr. 4 zu Art. 295 Abs. 1 Nr. 5 der MwStSystRL enthalten für den begünstigten Bereich “Hüten, Zucht und Mästen von Vieh” keine entsprechende Einschränkung.

Vielmehr ergibt sich entsprechend dem Vorbringen des Klägers schon aus dem Wortlaut von Art. 25 Abs. 5 Buchst. c und Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG (nunmehr Art. 300 Nr. 3 und Art. 301 Abs. 2 der MwStSystRL), dass die Anwendung der Durchschnittssatzbesteuerung auch bei Dienstleistungen möglich ist, bei denen der Leistungsempfänger kein Land- oder Forstwirt ist. Denn nach Art. 25 Abs. 5 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG werden die in Absatz 3 vorgesehenen Prozentsätze -ohne Steuer- u.a. auf den Preis der landwirtschaftlichen Dienstleistungen angewendet, die von Pauschallandwirten “an andere Steuerpflichtige als jene erbracht werden, für die im Inland die Pauschalregelung des vorliegenden Artikels gilt”. In Art. 25 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG heißt es, dass bei den in Absatz 5 nicht genannten Lieferungen landwirtschaftlicher Erzeugnisse und landwirtschaftlicher Dienstleistungen davon ausgegangen wird, “dass die Zahlung des Pauschalausgleichs durch den Abnehmer oder Dienstleistungsempfänger geschieht”. Aus diesen Formulierungen geht hervor, dass eine Beschränkung des Pauschalausgleichs auf Land- und Forstwirte als Dienstleistungsempfänger in den unionsrechtlichen Vorgaben nicht enthalten ist. Der Zweck der Regelung gebietet diese Einschränkung ebenso wenig.

Auch in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Harbs hat Generalanwalt Léger zu Art. 25 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG im Rahmen der Darstellung des rechtlichen Rahmens der Regelung darauf hingewiesen, dass der Pauschallandwirt seine Leistungen gleichfalls gegenüber nicht mehrwertsteuerpflichtigen Abnehmern oder nicht mehrwertsteuerpflichtigen Dienstleistungsempfängern erbringen kann.

Diese Auffassung steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, der im Zusammenhang mit der Veräußerung von Waren in einem sog. Hofladen bereits entschieden hat, dass auch Umsätze an Nichtunternehmer (Endverbraucher) der (pauschalen) Umsatzbesteuerung nach Durchschnittssätzen unterliegen können.

Entgegen der Auffassung des Finanzamt ergibt sich nichts Gegenteiliges aus dem BFH, Urteil vom 03.12 1998 – V R 48/98, weil der dieser Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt dem Streitfall schon nicht vergleichbar war. Denn dort ging es um die Vermietung einer Lagerhalle an einen außerlandwirtschaftlichen Unternehmer. Der BFH hat insoweit lediglich aus einer Gesamtschau der Umstände des Einzelfalls gefolgert, dass es insgesamt an dem für eine landwirtschaftliche Dienstleistung erforderlichen Merkmal “zu landwirtschaftlichen Zwecken” fehlte. Eine allgemeine Aussage dahingehend, dass für die Anwendbarkeit der Durchschnittssatzbesteuerung der Dienstleistungsempfänger stets ein Land- oder Forstwirt sein müsse, lässt sich dieser Entscheidung nicht entnehmen.

Zwar tragen Dienstleistungen an Nichtlandwirte (z.B. Ausbringung von Klärschlämmen, Pflege von Sportplätzen, Überlassung von Wirtschaftsgütern und Personalgestellung an Gewerbetreibende, Winterdienst für die Gemeinde) normalerweise nicht zur landwirtschaftlichen Erzeugung bei, wie dies von Anhang B der Richtlinie 77/388/EWG und von Art. 295 Abs. 1 Nr. 5 der MwStSystRL vorausgesetzt wird. Das gilt auch für einen Pensionspferdebetrieb eines Landwirts, ist aber anders, wenn nicht private Reit- und Sportpferde, sondern landwirtschaftlich (oder forstwirtschaftlich) genutzte Pferde eingestellt werden.

Danach scheidet bei einer Pensionshaltung von Pferden die Anwendung der Durchschnittssatzbesteuerung aus, wenn die betreuten Pferde aus privaten Gründen zu Freizeitzwecken gehalten werden nicht aber dann, wenn die Pferde von ihren Haltern -ausnahmsweise- zu land- oder forstwirtschaftlichen Zwecken genutzt werden. Dasselbe gilt bei der streitbefangenen “Pensionspferdehaltung zu Zuchtzwecken”.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 21. Januar 2015 – XI R 13/13