Blindenführhunde – und die gewerbliche Hundeerziehung

Die Betreiberin einer Blindenführhundeschule erzielt Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Eine “unterrichtende oder erzieherische Tätigkeit” i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG erfordert ein Tätigwerden gegenüber Menschen. Aus Art.20a GG folgt ebenfalls keine über den Wortlaut hinausgehende Anwendung des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG bei der Ausbildung von Blindenführhunden.

Die Ausbildung und der Verkauf von Blindenführhunden führt einkommensteuerrechtlich zu gewerblichen Einkünften. Wie der Bundesfinanzhof jetzt entschieden hat, handelt es sich hierbei nicht um eine freiberufliche Tätigkeit. Es fehlt an der hierfür erforderlichen “unterrichtenden” oder “erzieherischen Tätigkeit” i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG, die ein Tätigwerden gegenüber Menschen erfordert.

In dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Streitfall betrieb die Hundetrainerin eine Hundeschule und bildete jährlich drei bis fünf Hunde zu Blindenführhunden aus. Sie suchte gemeinsam mit dem sehbehinderten Menschen einen Hund aus und erwarb den Welpen auf eigene Rechnung. Nach der Ausbildung wurde der Hund von der Hundetrainerin an den Sehbehinderten übergeben. Sie begleitete die Übergabephase, die mit einer Gespannprüfung abschloss. Diese wurde von einem von der Krankenkasse bestellten Gespannprüfer abgenommen. Nach der Prüfung veräußerte die Hundetrainerin den Blindenführhund an die Krankenkasse des Sehbehinderten, die den Hund als medizinisches Hilfsmittel im Sinne des Sozialhilfegesetzes anerkannte. Das Finanzamt war der Auffassung, dass es sich bei den Einkünften der Hundetrainerin aus dem Verkauf und der Ausbildung der Blindenführhunde um gewerbliche Einkünfte handelte und setzte den Gewerbesteuermessbetrag fest.

Die hiergegen erhobene Klage hatte vor dem Finanzgericht Münster keinen Erfolg. Der Bundesfinanzhof bestätigte im Ergebnis die Vorentscheidung des Finanzgerichts Münsters:

Die Hundetrainerin war nicht gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG freiberuflich, sondern gewerblich tätig. Der Begriff “unterrichtende” oder “erzieherische Tätigkeit” im Sinne dieser Vorschrift erfordert ein Tätigwerden gegenüber dem Menschen. Steuerrechtlich wird der Begriff des Unterrichts und der Erziehung von Menschen von der Dressur von Tieren unterschieden. Dies gilt auch dann, wenn die Ausbildung der Tiere in einer “Hundeschule” erfolgt. Bei der Betreuung des sehbehinderten Menschen während der Übergabe des Hundes handelt es sich um eine der Ausbildung des Tieres untergeordnete Tätigkeit, so dass der gesamte Betrieb der Hundetrainerin als gewerblich anzusehen ist.

Auch aus dem verfassungsrechtlich in Art.20a des Grundgesetzes verankerten Tierschutz kann nicht der Schluss gezogen werden, dass die Ausbildung der Blindenführhunde dem Unterricht und der Erziehung von Menschen gleichzustellen ist. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass die Lieferung von ausgebildeten Blindenführhunden nach dem Umsatzsteuergesetz nur dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 % unterliegt.

Nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG gehören zur freiberuflichen Tätigkeit die selbständig ausgeübte wissenschaftliche, künstlerische, schriftstellerische, unterrichtende oder erzieherische Tätigkeit, sowie die selbständige Tätigkeit in einem der dort aufgezählten Berufe oder in einem diesen ähnlichen Beruf. Die Hundetrainerin übte im Streitjahr keinen freien Beruf in diesem Sinne aus.

Sie war bei der Ausbildung der Blindenführhunde weder erzieherisch noch unterrichtend tätig. Steuerrechtlich wird der Begriff des Unterrichts und der Erziehung von Menschen von der Dressur von Tieren unterschieden. Dies folgt -entgegen der Auffassung des Finanzgericht- nicht aus einer einschränkenden Auslegung des Gesetzeswortlauts im Sinne einer teleologischen Reduktion der Vorschrift, sondern aus einer typisierenden Betrachtungsweise. Der Gesetzgeber wollte durch die Verwendung der Begriffe “unterrichten” und “erziehen” die freiberufliche Tätigkeit gegenüber Menschen von der Tätigkeit gegenüber Tieren, bei denen von “dressieren”, “abrichten” und “trainieren” gesprochen wird, abgrenzen.

Von diesem Begriffsverständnis geht auch die ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs und die herrschende Meinung in der Literatur aus.

Erziehung bedeutet danach die planmäßige Tätigkeit zur körperlichen, geistigen und sittlichen Formung junger Menschen zu tüchtigen und mündigen Menschen. Die Ausbildung von Tieren wird von dem Tatbestandsmerkmal, das auf die Schulung des Charakters und der Bildung der Persönlichkeit junger Menschen gerichtet ist, nicht erfasst.

Unterricht ist die Vermittlung von Wissen, Fähigkeiten, Fertigkeiten, Handlungsweisen und Einstellungen durch Lehrer an -menschliche- Schüler in organisierter und institutionalisierter Form.

Die Abrichtung und Dressur von Tieren fällt auch dann nicht unter den Unterrichtsbegriff, wenn sie in einer “Hundeschule” erfolgt. Denn für Zwecke der Gesetzesauslegung gilt nur das allgemeine Sprachverständnis. Euphemismen, die insbesondere im Rahmen der Werbung und des Marketing Verwendung finden, ändern nichts an diesem allgemeinen Sprachverständnis, so dass der Betrieb der Hundetrainerin -für die hier vorliegende Rechtsfrage- weder eine Schule, noch ihre Tätigkeit ein Unterricht i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ist. Zudem kann allein die Bezeichnung des Unternehmens der Hundetrainerin nicht als entscheidendes Kriterium dafür angesehen werden, ob es sich um eine gewerbliche oder eine freiberufliche Tätigkeit handelt.

Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist die Würdigung des Finanzgericht, dass der gesamte Betrieb der Hundetrainerin als einheitlicher angesehen werden muss. Beschränkt sich die Tätigkeit eines Steuerpflichtigen nicht auf das Vermitteln von Fertigkeiten, sondern werden im Zusammenhang mit der Unterrichtstätigkeit auch noch andere Leistungen angeboten, so kann je nach Art und Umfang dieser anderen Leistungen insgesamt eine gewerbliche Betätigung vorliegen.

Dies ist vorliegend der Fall. Die Betreuung des sehbehinderten Menschen bei und nach der Übergabe des Hundes setzt voraus, dass der Hund zuvor als Blindenführhund ausgebildet wurde. Erst dadurch wird möglich, dass der Hund dem sehbehinderten Halter übergeben werden kann und diesen im Alltag unterstützt. Die vorherige Ausbildung des Hundes ist insofern das “prägende” Element der Tätigkeit der Hundetrainerin auch ab dem Zeitpunkt der Übergabe des Hundes an den sehbehinderten Menschen. Es handelt sich danach unabhängig davon, ob die Einweisungszeit überhaupt die Kriterien einer “institutionalisierten” Unterrichtstätigkeit erfüllt, um eine der Ausbildung des Tiers untergeordnete Tätigkeit. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass die Entgelte für die Ausbildung der Blindenführhunde und die Einarbeitung bei dem zukünftigen Halter in den Rechnungen und in der Buchführung der Hundetrainerin getrennt aufgeführt wurden, da die Tätigkeit der Hundetrainerin insgesamt als gewerblich zu beurteilen ist.

Auch aus Art.20a GG folgt keine über den Wortlaut hinausgehende Anwendung des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG bei der Ausbildung von Blindenführhunden. Der Staat ist aufgrund des Art.20a GG verpflichtet, Tiere nicht selbst zu beeinträchtigen und ferner geeignete Maßnahmen zum Schutz der Tiere vor Beeinträchtigungen durch Private zu treffen sowie Vorschriften mit dem Ziel des Tierschutzes zu erlassen. Hingegen ist Art.20a GG bei solchen staatlichen Maßnahmen irrelevant, die den Schutz der Tiere gar nicht beeinträchtigen können. Dies ist bei der Besteuerung der Hundetrainerin der Fall, so dass aus Art.20a GG nicht der Schluss gezogen werden kann, dass die Ausbildung von Blindenführhunden dem Unterricht und der Erziehung von Menschen i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG gleichzustellen ist, um die Hundetrainerin vor steuerlichen Nachteilen zu bewahren.

Die Frage, ob der Annahme einer unterrichtenden oder erzieherischen Tätigkeit i.S. des § 18 EStG bereits entgegensteht, dass die Hundetrainerin die von ihr ausgebildeten Blindenführhunde an die Krankenkasse veräußert und keinen Dienstvertrag über deren Ausbildung geschlossen hat, kann offenbleiben. Die Tätigkeit der Hundetrainerin ist bereits dem Grunde nach als gewerblich anzusehen. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass die Lieferung von ausgebildeten Blindenführhunden gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Anlage 2 lfd. Nr. 1 Buchst. k des Umsatzsteuergesetzes dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 % unterliegt. Soweit mit dieser Regelung eine Entlastung der Sozialversicherungsträger von der Umsatzsteuer bezweckt ist, ist dieser Gesichtspunkt für die ertragsteuerliche Einordnung der Tätigkeit der Hundetrainerin ohne Belang. Eine Entlastung der Sozialversicherungsträger wird durch die Abgrenzung der freiberuflichen von den gewerblichen Einkünften nicht verfolgt.

Es wurde weder geltend gemacht, noch ist erkennbar, dass bei der Tätigkeit der Hundetrainerin die Voraussetzungen eines Katalogberufs i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG oder eines einem solchen ähnlichen Berufs vorlagen.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 9. Mai 2017 – VIII R 11/15