Wenn das Tierheim "seine" Katze zurückholen will…
Ein Tierheim ist nicht berechtigt, von ihm vermittelte Tiere ihren Besitzern eigenmächtig wieder wegzunehmen.
In dem hier vom Amtsgericht Hanau entschiedenen Fall war der antragstellenden Katzenhalterin von dem Tierheim in Kater überlassen worden. Nach dem „Tierüberlassungsvertrag“ müsse ihre Balkontür mit einem Fliegengitter gesichert werden, zudem solle das Tier abnehmen. Nach knapp einem Jahr erkundigte sich der Antragsgegner telefonisch, ob das Tier abgenommen habe und das Fliegengitter angebracht worden sei. Die Katzenhalterin verneinte die Anbringung des Fliegengitters mangels Notwendigkeit, da der Kater sehr ängstlich sei und nie auf den Balkon gehe. Ob das Tier abgenommen wisse sie nicht, da sie ihn nicht gewogen habe. Knapp 30 Minuten später erschienen 2 Personen unangemeldet bei der Katzenhalterin und teilten mit, sie kämen „vom Tierheim“. Sogleich nach Betreten der Wohnung stürzte eine der beiden Personen auf den Kater, welcher die Flucht ergriff, denn „man nehme den Kater jetzt mit“. Trotz Wiederspruchs der Katzenhalterin jagten die Personen den Kater unter Verrücken von Wohnungsmöbeln. Dieser wurde schließlich mit einem Fangnetz eingefangen und mit den Worten „den kriegen Sie nicht wieder“ mitgenommen.
Nachdem die Katzenhalterin auf Herausgabe des Tiers geklagt hatte, wurde dieses noch während des Verfahrens an sie zurückgegeben. Das Amtsgericht entschied sodann, dass der Antragsgegner die Kosten des Verfahrens zu tragen habe. Ob die Regelungen in dem „Tierüberlassungsvertrag“ wirksam waren und eventuell nicht eingehalten wurden, könne dahinstehen. Denn die eigenmächtige Wegnahme des Tieres stelle verbotene Eigenmacht dar. Mögliche Ansprüche müsse das Tierheim gerichtlich durchsetzen und könne sie nicht selbst vollstrecken.
Nach der Erledigung in der Hauptsache war über die Kosten des Rechtsstreits unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen durch Beschluss nach § 91a ZPO zu entscheiden und die der Antragsgegnerseite aufzuerlegen. Dabei war darauf abzustellen, wer die Kosten des Verfahrens hätte tragen müssen, wenn das Erledigungsereignis nicht eingetreten wäre.
Ohne die Herausgabe des Katers durch die Beklagtenseite hätte diese nach derzeitigem Sach- und Streitstand insoweit die Kosten des Prozesses nach § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO zu tragen gehabt.
Es kann, so das Amtsgericht, dahinstehen, ob wirksam im „Tierüberlassungsvertrag“ eine Pflicht zur Anbringung eines Fliegengitters und eine Pflicht zur Herbeiführung einer Gewichtsreduzierung des Katers vereinbart worden sind und welche Folgen ein Verstoß gegen solche Pflichten hätte.
Nach § 861 BGB kann der Besitzer, wenn ihm der Besitz durch verbotene Eigenmacht entzogen wird, die Wiedereinräumung des Besitzes von demjenigen verlangen, welcher ihm gegenüber fehlerhaft besitzt.
Die Katzenhalterin war durch Übergabe des Katers nach Abschluss des „Tierüberlassungsvertrages“ Besitzerin des Katers nach § 854 BGB geworden, indem sie die tatsächliche Gewalt über das Tier erlangte.
Insoweit der Katzenhalterin der Kater durch Mitarbeiterinnen des Antragsgegners gegen ihren Willen weggenommen wurde, lag verbotene Eigenmacht vor, § 858 BGB. Die streitgegenständliche Entziehung des Besitzes war nicht vom Gesetz gestattet. Damit war die Besitzbeeinträchtigung ohne den Willen der Katzenhalterin nach § 858 Abs. 1 BGB widerrechtlich. Dabei ist es unerheblich, ob der Besitzer ein Recht zum Besitz hat und ob dem Störer einen Anspruch auf Herausgabe der Sache zusteht1. Gegen den Besitzer gerichtete Ansprüche müssen grundsätzlich, wenn der Besitzer ihnen nicht freiwillig nachkommt, gerichtlich verfolgt werden2. Eigenmächtiges Handeln zum Nachteil des Besitzers ist daher grundsätzlich widerrechtlich3. Dabei ist es unerheblich, ob die Mitarbeiterinnen des Antragsgegners davon ausgingen, zur Mitnahme des Katers berechtigt zu sein.
Das Tierheim hat nach Zustellung des Antrags auch den Halterwechsel vorbehaltlos rückgängig gemacht. Es hat sich damit unter Verzicht auf weitere Aufklärung freiwillig in die Rolle der Unterlegenen begeben4.
Die vorbehaltlose und freiwillige, d.h. nicht zur Abwendung der Zwangsvollstreckung erfolgte Erfüllung der Klageforderung spricht im Allgemeinen für deren Bestand und Durchsetzbarkeit5. Plausible Gründe, die diesen Schluss erschüttern, hat das Tierheim nicht vorgetragen.
Amtsgericht Hanau, Urteil vom 4. Januar 2024 – 98 C 98/23
- vgl. BeckOGK/Götz, 1.10.2023, BGB § 858 Rn. 53, 54 [↩]
- vgl. BeckOGK/Götz, 1.10.2023, BGB § 858 Rn. 53, 54 [↩]
- vgl. BeckOGK/Götz, 1.10.2023, BGB § 858 Rn. 53, 54 [↩]
- vgl. Flockenhaus, in: Musielak/Voit, ZPO, 13. Auflage 2016, § 91a ZPO Rn. 23 [↩]
- vgl. Schulz, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Auflage 2020, § 91a ZPO Rn. 48 [↩]