Reitunfall beim verbotenen Reiten
Für die Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 833 Satz 1 BGB ist es grundsätzlich unerheblich, ob derjenige, der von einem Pferd stürzt, mit oder ohne Einverständnis des Inhabers der tatsächlichen Sachherrschaft reiten wollte. Dieser Umstand kann jedoch im Rahmen eines etwaigen – vom Schädiger zu beweisenden – Mitverschuldens im Sinne des § 254 BGB Berücksichtigung finden.
Der Halter eines Reitpferdes kann dem Reiter, der sich beim Sturz vom Pferd verletzt, auch dann nach § 833 BGB zum Schadensersatz verpflichtet sein, wenn er dem Verletzten das Pferd aus Gefälligkeit überlassen hat. Das “Überlassen” des Pferdes ist dabei kein vom Geschädigten zu beweisendes Tatbestandsmerkmal des § 833 Satz 1 BGB.
Wenn sich in dem Reitunfall eine spezifische Tiergefahr (als ungeschriebene Voraussetzung des § 833 BGB) verwirklicht, die sich in einem der tierischen Natur entsprechenden unberechenbaren und selbständigen Verhalten äußert, sind die Haftungsvoraussetzungen des § 833 BGB gegeben.
Ob die Reiterin das Pferd mit oder ohne Einverständnis desjenigen, der die tatsächliche Sachherrschaft über es ausübte, reiten wollte, ist für die Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 833 Satz 1 BGB grundsätzlich unerheblich und kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs regelmäßig nur im Rahmen eines etwaigen – vom Schädiger zu beweisenden – Mitverschuldens im Sinne des § 254 BGB Berücksichtigung finden. Die Tierhalterhaftung kann auch dann eingreifen, wenn sich jemand einem Tier unbefugt nähert.
Allerdings kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Haftung des Tierhalters trotz Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 833 Satz 1 BGB ausnahmsweise entfallen.
Bei der Tierhalterhaftung hat der Bundesgerichtshof eine vollständige Haftungsfreistellung auch des Tierhalters unter dem Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr nur in eng begrenzten Ausnahmefällen erwogen, wenn beispielsweise der Geschädigte sich mit der Übernahme des Pferdes oder der Annäherung an ein solches bewusst einer besonderen Gefahr aussetzt, die über die normalerweise mit dem Reiten oder der Nähe zu einem Pferd verbundenen Gefahren hinausgeht. Das kann etwa der Fall sein, wenn ein Tier erkennbar böser Natur ist oder erst zugeritten werden muss oder wenn der Ritt als solcher spezifischen Gefahren unterliegt, wie beispielsweise beim Springen oder bei der Fuchsjagd oder der Geschädigte sich dem Halter im vorwiegend eigenen Interesse an seinem reiterlichen Ruf mit der Bitte um Überlassung eines weigerlichen und erregten Pferdes geradezu aufgedrängt hat.
Das Bewusstsein der besonderen Gefährdung ist dabei stets Voraussetzung, um ein Handeln des Geschädigten auf eigene Gefahr annehmen zu können; ob unter diesem Blickpunkt die Haftung des Tierhalters von vornherein entfällt, kann nur nach einer umfassenden Interessenabwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles entschieden werden.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 30. April 2013 – VI ZR 13/12