Die abgeworfene Reiterin

Muss die Halterin eines Pferdes für die Behandlungskosten aufkommen, wenn ihr Tier eine andere Reiterin abwirft?

Diese Frage stellte sich jetzt dem Landgericht Koblenz. Dort hatte eine Krankenversicherung gegen die Halterin einer seinerzeit dreijährigen Stute geklagt, die das Pferd in einem Stall untergebracht, in dem auch ein Tier der bei der klagenden Krankenkasse versicherten Geschädigten stand. Die Krankenversicherung trug im Prozess vor, die bei ihr versicherte Geschädigte sei im Winter 2017 von der Pferdehalterin gebeten worden, das Pferd gelegentlich zu reiten, weil sie selbst das wegen einer Schwangerschaft momentan nicht könne. Am 04.12.2017 habe die Geschädigte einen Ausritt mit dem Pferd der Pferdehalterin unternommen, bei dem das Tier plötzlich gebuckelt und sie abgeworfen habe. Die Geschädigte habe sich dabei den Arm gebrochen, wodurch Behandlungskosten in Höhe von 5.175,29 € entstanden seien, die von ihr – der Krankenkasse – übernommen worden seien. Diesen Betrag, so verlangte die Versicherung, müsse ihr die Pferdehalterin als Halterin des Pferdes ersetzen. Die Pferdehalterin verweigerte dies mit dem Argument, sie habe ihr Pferd nicht der Geschädigten, sondern nur deren Tochter anvertraut. Davon, dass auch die Geschädigte das Pferd reiten würde, habe sie keine Kenntnis gehabt. Die Geschädigte habe sich also eigenverantwortlich gefährdet und den Reitunfall selbst verschuldet; daher sei auch kein Schadensersatz zu zahlen.

Das Landgericht Koblenz verurteilte die Pferdehalterin, der Krankenkasse die für die Behandlung der Geschädigten entstandenen Kosten zu erstatten. Nach einer Vernehmung der gestürzten Reiterin und ihrer Tochter zeigte sich die Richterin überzeugt, dass der Pferdehalterin durchaus bekannt war, dass auch die Geschädigte sich um das Tier kümmerte. Außerdem sei nachgewiesen, dass die Reiterin tatsächlich abgeworfen worden war, als die Stute plötzlich den Kopf zwischen die Beine nahm und mehrfach buckelte. Als Tierhalterin hafte die Pferdehalterin für die Schäden, die ihr Pferd dadurch verursacht habe. Denn auch in diesem Fall habe sich eine typische „Tiergefahr“ verwirklicht. Ein Pferdehalter sei für die Folgen eines Reitunfalls nämlich immer dann verantwortlich, wenn sich das Tier „selbstgesteuert“ verhalte und es dadurch zum Unfall komme. Nur dann, wenn es zum Sturz komme, obwohl das Pferd dem Willen des Reiters gefolgt sei, fehle es an dieser Tiergefahr und der Pferdehalter hafte nicht.

Die Pferdehalterin könne sich auch nicht, so das Landgericht Koblenz weiter, darauf berufen, dass sie der Geschädigten eine Gefälligkeit erwiesen habe. Denn ein Verzicht der Reiterin auf etwaige Schadensersatzansprüche sei nicht anzunehmen. Man könne nicht unterstellen, dass die Geschädigte der Pferdehalterin einen solchen Gefallen habe tun wollen, der letztlich nur der hinter der Pferdehalterin stehenden Versicherung zugutekomme.

Das Gericht urteilte weiter, der Schadensersatzanspruch sei auch nicht wegen eines eigenen Verschuldens der Geschädigten zu kürzen. Diese habe sich lediglich einer „normalen Tiergefahr“ ausgesetzt. Nur demjenigen aber könne ein eigenes Verschulden vorgeworfen werden, der beim Umgang mit einem Tier bewusst Risiken übernehme, die über die gewöhnlich zu erwartenden Gefahren hinausgehen. Das sei hier aber nicht der Fall. Der seit 40 Jahren reiterfahrenen Geschädigten sei das Pferd der Pferdehalterin bereits von vergangenen Ausritten her bekannt gewesen. Sie habe keinen Anlass gehabt, einen Ausritt am 04.12.2017 als besonders gefährlich einzuschätzen, und sei daher kein ungewöhnliches Risiko eingegangen.

Landgericht Koblenz, Urteil vom 25. Mai 2022 – 3 O 134/19