Pensionspferdehaltung – Einkünfte aus gewerblicher Tierhaltung
Folgt das Finanzamt den Angaben eines Steuerpflichtigen, der mit ungewisser Einkünfteerzielungsabsicht eine Pferdepensionshaltung betreibt, und stellt vorläufig Einkünfte aus Gewerbebetrieb gem. § 15 Abs. 1 EStG fest, kann es bei Beseitigung der Ungewissheit über das Vorliegen der Einkünfteerzielungsabsicht die Einkünfte als solche aus gewerblicher Tierhaltung gem. § 15 Abs. 4 EStG umqualifizieren. Die Entscheidung, ob gewerbliche Einkünfte im Sinne des § 15 Abs. 1 oder § 15 Abs. 4 EStG vorliegen, hat keinen Vorrang gegenüber der Frage, ob der Betrieb mit Einkünfteerzielungsabsicht unterhalten wird. Sie kann daher bei einer vorläufigen Steuerfestsetzung zurückgestellt werden, solange das Vorliegen der Einkünfteerzielungsabsicht ungewiss ist.
Nach § 165 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 181 Abs. 1 Satz 1 AO kann die Finanzbehörde eine Feststellung aufheben oder ändern, soweit sie die Besteuerungsgrundlagen vorläufig festgestellt hat. Dies kann gemäß § 165 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 181 Abs. 1 Satz 1 AO geschehen, soweit ungewiss ist, ob die Voraussetzungen für deren Entstehung eingetreten sind. Umfang und Grund der Vorläufigkeit sind anzugeben (§ 165 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. § 181 Abs. 1 Satz 1 AO). Die (materielle) Bestandskraft des Steuerbescheids bleibt in diesem Umfang (zunächst) offen.
Dagegen ist eine vorläufige Feststellung nach § 165 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 181 Abs. 1 Satz 1 AO aufzuheben, zu ändern oder für endgültig zu erklären, wenn die Ungewissheit beseitigt ist.
Wie die Ungewissheit in § 165 Abs. 1 Satz 1 AO, so muss sich dabei auch die Gewissheit, die gewonnen wird, auf Tatsachen beziehen, die den gesetzlichen Steuertatbestand verwirklichen. Eine Unsicherheit in der steuerrechtlichen Beurteilung eines feststehenden Sachverhaltes rechtfertigt die Anordnung der Vorläufigkeit nicht.
Die Ungewissheit in der Beurteilung der Einkünfteerzielungsabsicht bezieht sich auf eine “innere” Tatsache, die nur anhand äußerlicher Merkmale (Hilfstatsachen) beurteilt werden kann. Es handelt sich dabei nach ständiger Rechtsprechung nicht um eine Unsicherheit in der steuerrechtlichen Beurteilung eines feststehenden Tatbestands.
Die Einkünfteerzielungsabsicht ist nur dann i. S. des § 165 AO ungewiss, wenn die maßgeblichen Hilfstatsachen nicht mit der gebotenen Sicherheit festgestellt werden können.
Bestehen in tatsächlicher Hinsicht Ungewissheiten über die Voraussetzungen des gesetzlichen Steuertatbestandes und ist – wie im Streitfall – für eine bestimmte Betätigung (hier die Pferdepensionshaltung) deren steuerliche Beurteilung (hier die konkrete Einkunftsart) vorrangig von einer Hauptfrage (nämlich dem Vorliegen einer Einkünfteerzielungsabsicht) abhängig, kann das Finanzamt nachrangige Ermittlungen und Nachprüfungen zurückstellen, solange offen ist, ob ihnen bei der Steuerfestsetzung überhaupt eine Bedeutung zukommt. In diesem Rahmen kann das Finanzamt auch nachrangige Fehlbeurteilungen des Steuerpflichtigen vorläufig hinnehmen, unabhängig davon, ob die betreffenden Besteuerungsgrundlagen mit Ungewissheiten behaftet waren oder nicht. Folgt das Finanzamt mit der vorläufigen Steuerfestsetzung zunächst den rechtlichen Vorstellungen des Steuerpflichtigen, kann dieser in nachrangigen Einzelfragen auch dann nicht mit einem Fortbestand der rechtlichen Beurteilung rechnen, wenn sich das Finanzamt in der vorrangigen Hauptfrage nach Beseitigung der tatsächlichen Ungewissheit anders entscheidet.
Bezieht sich die tatsächliche Ungewissheit ausschließlich auf eine Vorrangfrage und stellt das Finanzamt im Hinblick hierauf die Prüfung aller nachrangigen und von der Beantwortung der Vorrangfrage rechtlich abhängigen Folgefragen zurück, kann die Änderung des vorläufigen Steuerbescheids insoweit nicht auf Satz 2 des § 165 Abs. 2 AO gestützt werden, sondern allein auf Satz 1 der vorbezeichneten Vorschrift. Dies führt zu einer kumulativen Anwendung der Sätze 1 und 2 des § 165 Abs. 2 AO bei Erlass des endgültigen Bescheids.
Nach diesen Grundsätzen war das Finanzamt nicht nur berechtigt (§ 165 Abs. 2 Satz 1 AO), sondern vielmehr verpflichtet (§ 165 Abs. 2 Satz 1 und 2 AO), geänderte Feststellungsbescheide zu erlassen. Die ursprünglichen Feststellungen ergingen vorläufig und wurden mangels Anfechtung formell bestandskräftig und wirksam.
Die tatsächliche Ungewissheit wurde im Streitfall nicht bereits durch die Prüfungen des Prüfers B und der Prüferin C, sondern erst durch die Feststellungen im Rahmen der am 09.02.2011 begonnenen (dritten) Betriebsprüfung durch Herrn H beseitigt. Erst in diesem Zeitpunkt konnte die Vorrangfrage – das Vorliegen einer Einkünfteerzielungsabsicht – und daran anschließend die Folgefrage der Einordnung der Einkünfte als solche aus gewerblicher Tierzucht/Tierhaltung beantwortet werden.
Im Rahmen der ersten Betriebsprüfung durch den Prüfer B vom Finanzamt A wurden keine abschließenden Feststellungen zur Einkünfteerzielungsabsicht getroffen, so dass dieser Prüfungspunkt im Betriebsprüfungsbericht auch explizit als noch ungeklärt behandelt wurde.
Auch durch die Prüferin C wurde die Unsicherheit bezogen auf die Einkünfteerzielungsabsicht nicht beseitigt. Zwar enthält der Prüfungsbericht vom 26.11.2008 keinen – wie im Prüfungsbericht des Prüfers B vom 24.02.2006 enthaltenen – ausdrücklichen Hinweis darauf, dass die endgültige Würdigung dieses Prüfungspunkts noch aussteht. Die Zeugin C hat in ihrer Zeugenvernehmung aber nachvollziehbar dargelegt, dass sie sich zu einem derartigen Hinweis nicht veranlasst sah, da sich aus dem Kontext ihrer übrigen Prüfungsfeststellungen sowie dem Umstand, dass sie – bewusst – für die Prüfungsjahre den in den Ausgangsbescheiden für 2004 und 2005 enthaltenen Vorläufigkeitsvermerk nicht aufgehoben habe, aus ihrer Sicht hinreichend deutlich ergeben habe, dass der Aspekt Liebhaberei noch nicht abschließend habe geklärt werden können. Frau C bekundete, bei dem Vermerk auf dem Kontrollblatt Liebhaberei habe es sich lediglich um eine Gedächtnisstütze gehandelt. Sie habe mit ihrer Vorgesetzten, Frau D, besprochen, welche Wirkungen die Einstellung der Privatpferde habe. Sie seien zu der Überzeugung gelangt, dass dies lediglich als Hilfsmaßnahme zu bewerten sei, bis es der Klägerin wirtschaftlich besser gehe. Sie sei davon ausgegangen, dass ein dritter Prüfer sich die gesamte wirtschaftliche Entwicklung noch einmal ansehen müsse, deshalb habe sie auch die Vorläufigkeitsvermerke nicht aufgehoben.
Diese Äußerungen der Zeugin werden dadurch bestätigt, dass sie für die Jahre 2004 und 2005 zwar den Vorbehalt der Nachprüfung, nicht aber die jeweiligen Vorläufigkeitsvermerke aufhob. Den Umstand, dass sie für das nicht streitige Jahr 2006 den – im Ausgangsbescheid nicht enthaltenen – Vorläufigkeitsvermerk bei der Änderungsveranlagung nicht zufügte, hat die Zeugin nachvollziehbar damit erklärt, dass sie seinerzeit davon ausgegangen sei, dass auch der Ausgangsbescheid für 2006 einen derartigen Vorläufigkeitsvermerk bereits enthalten habe. Diese derzeitige Sicht auf die Dinge durch die Zeugin wird gestützt durch ihre handschriftlichen Notizen im Rahmen der Vorbereitung auf dem Kontrollblatt Liebhaberei, bei denen sie für alle Prüfungsjahre angekreuzt hatte, dass die Bescheide vorläufig ergangen seien.
Erst im Zeitpunkt der dritten Betriebsprüfung war der Prüfer H in der Lage, das Vorliegen der Einkünfteerzielungsabsicht abschließend zu beurteilen. Nach der Beantwortung dieser Vorrangfrage hat er sich zulässigerweise mit der Folgefrage befasst, ob die von der Klägerin erzielten Einkünfte solche aus gewerblicher Tierzucht/Tierhaltung i. S. d. § 15 Abs. 4 EStG sind.
Der Prüfer ist – das ist zwischen den Beteiligten unstreitig – zutreffend zu der Ansicht gelangt, dass Einkünfte i. S. d. § 15 Abs. 4 EStG vorliegen. Insoweit handelte es sich auch um eine Folgefrage, deren Beantwortung zulässigerweise zurückgestellt war, weil über die Qualifizierung der Einkunftsart nicht Klarheit bestehen, bevor über die Frage der Einkünfteerzielungsabsicht entschieden werden kann. Das Vorliegen der Einkünfteerzielungsabsicht ist vielmehr eine zwingende Voraussetzung für die Annahme von Einkünften aus gewerblicher Tierzucht/Tierhaltung i. S. d. § 15 Abs. 4 Satz 1 EStG ist. Die tatsächliche Ungewissheit wurde im Streitfall nicht bereits durch die Prüfungen des Prüfers B und der Prüferin C, sondern erst durch die Feststellungen im Rahmen der am 09.02.2011 begonnenen (dritten) Betriebsprüfung durch Herrn H beseitigt. Erst in diesem Zeitpunkt konnte die Vorrangfrage – das Vorliegen einer Einkünfteerzielungsabsicht – und daran anschließend die Folgefrage der Einordnung der Einkünfte als solche aus gewerblicher Tierzucht/Tierhaltung beantwortet werden.
Im Rahmen der ersten Betriebsprüfung durch den Prüfer B vom Finanzamt A wurden keine abschließenden Feststellungen zur Einkünfteerzielungsabsicht getroffen, so dass dieser Prüfungspunkt im Betriebsprüfungsbericht auch explizit als noch ungeklärt behandelt wurde.
Auch durch die Prüferin C wurde die Unsicherheit bezogen auf die Einkünfteerzielungsabsicht nicht beseitigt. Zwar enthält der Prüfungsbericht vom 26.11.2008 keinen – wie im Prüfungsbericht des Prüfers B vom 24.02.2006 enthaltenen – ausdrücklichen Hinweis darauf, dass die endgültige Würdigung dieses Prüfungspunkts noch aussteht. Die Zeugin C hat in ihrer Zeugenvernehmung aber nachvollziehbar dargelegt, dass sie sich zu einem derartigen Hinweis nicht veranlasst sah, da sich aus dem Kontext ihrer übrigen Prüfungsfeststellungen sowie dem Umstand, dass sie – bewusst – für die Prüfungsjahre den in den Ausgangsbescheiden für 2004 und 2005 enthaltenen Vorläufigkeitsvermerk nicht aufgehoben habe, aus ihrer Sicht hinreichend deutlich ergeben habe, dass der Aspekt Liebhaberei noch nicht abschließend habe geklärt werden können. Frau C bekundete, bei dem Vermerk auf dem Kontrollblatt Liebhaberei habe es sich lediglich um eine Gedächtnisstütze gehandelt. Sie habe mit ihrer Vorgesetzten, Frau D, besprochen, welche Wirkungen die Einstellung der Privatpferde habe. Sie seien zu der Überzeugung gelangt, dass dies lediglich als Hilfsmaßnahme zu bewerten sei, bis es der Klägerin wirtschaftlich besser gehe. Sie sei davon ausgegangen, dass ein dritter Prüfer sich die gesamte wirtschaftliche Entwicklung noch einmal ansehen müsse, deshalb habe sie auch die Vorläufigkeitsvermerke nicht aufgehoben.
Diese Äußerungen der Zeugin werden dadurch bestätigt, dass sie für die Jahre 2004 und 2005 zwar den Vorbehalt der Nachprüfung, nicht aber die jeweiligen Vorläufigkeitsvermerke aufhob. Den Umstand, dass sie für das nicht streitige Jahr 2006 den – im Ausgangsbescheid nicht enthaltenen – Vorläufigkeitsvermerk bei der Änderungsveranlagung nicht zufügte, hat die Zeugin nachvollziehbar damit erklärt, dass sie seinerzeit davon ausgegangen sei, dass auch der Ausgangsbescheid für 2006 einen derartigen Vorläufigkeitsvermerk bereits enthalten habe. Diese derzeitige Sicht auf die Dinge durch die Zeugin wird gestützt durch ihre handschriftlichen Notizen im Rahmen der Vorbereitung auf dem Kontrollblatt Liebhaberei, bei denen sie für alle Prüfungsjahre angekreuzt hatte, dass die Bescheide vorläufig ergangen seien.
Erst im Zeitpunkt der dritten Betriebsprüfung war der Prüfer H in der Lage, das Vorliegen der Einkünfteerzielungsabsicht abschließend zu beurteilen. Nach der Beantwortung dieser Vorrangfrage hat er sich zulässigerweise mit der Folgefrage befasst, ob die von der Klägerin erzielten Einkünfte solche aus gewerblicher Tierzucht/Tierhaltung i. S. d. § 15 Abs. 4 EStG sind.
Der Prüfer ist – das ist zwischen den Beteiligten unstreitig – zutreffend zu der Ansicht gelangt, dass Einkünfte i. S. d. § 15 Abs. 4 EStG vorliegen. Insoweit handelte es sich auch um eine Folgefrage, deren Beantwortung zulässigerweise zurückgestellt war, weil über die Qualifizierung der Einkunftsart nicht Klarheit bestehen, bevor über die Frage der Einkünfteerzielungsabsicht entschieden werden kann. Das Vorliegen der Einkünfteerzielungsabsicht ist vielmehr eine zwingende Voraussetzung für die Annahme von Einkünften aus gewerblicher Tierzucht/Tierhaltung i. S. d. § 15 Abs. 4 Satz 1 EStG ist.
Die Feststellungsfrist beträgt vier Jahre (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. § 181 Abs. 1 Satz 1 AO). Wenn wie hier aufgrund der § 181 Abs. 2 Nr.1 i. V. m. § 180 Abs. 1 lit. a AO für die Streitjahre Feststellungserklärungen abzugeben sind, beginnt die Festsetzungsfrist nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuererklärung eingereicht wird.
Dem Ablauf der Festsetzungsfrist steht aber in allen Jahren entgegen, dass die Feststellungsbescheide vorläufig nach § 165 Abs. 1 Satz 1 AO ergangen sind.
Wurde die Steuer vorläufig nach § 165 AO festgesetzt, so endet die Festsetzungsfrist nach § 171 Abs. 8 Satz 1 AO nicht vor Ablauf eines Jahres, nachdem die Ungewissheit beseitigt ist und die Finanzbehörde hiervon Kenntnis erhalten hat.
Für den Beginn der Jahresfrist des § 171 Abs. 8 Satz 1 AO kommt es auf die positive Kenntnis von der Beseitigung der Ungewissheit an. Ein bloßes “Kennenmüssen” von Tatsachen, die das Finanzamt bei pflichtgemäßem Ermitteln erfahren hätte, steht der Kenntnis nicht gleich. Welche Ungewissheit maßgebend ist, ergibt sich aus § 165 AO.
Eine Unsicherheit nach § 165 Abs. 1 Satz 1 AO im Tatsächlichen ist dann gegeben, wenn fraglich ist, ob ein Steuerpflichtiger mit Einkünfteerzielungsabsicht tätig geworden ist oder ob stattdessen Liebhaberei vorliegt. Sie ist beseitigt, wenn die für die Beurteilung der Einkünfteerzielungsabsicht maßgeblichen Hilfstatsachen festgestellt werden können und das Finanzamt davon positive Kenntnis hat.
Die Beseitigung der Ungewissheit über die Einkünfteerzielungsabsicht liegt nach der Rechtsprechung des BFH beispielsweise vor, wenn ein Unternehmer seinen Betrieb verkauft oder aufgibt und das Finanzamt davon Kenntnis hat. Keine Beseitigung der Ungewissheit liegt dagegen bei Umstrukturierungsmaßnahmen im Rahmen eines fortbestehenden Betriebs vor.
Angewandt auf den vorliegenden Fall ergibt sich hieraus, dass die seit 2003 vorgenommene Einstellung der Privatpferde – lediglich – eine Umstrukturierungsmaßnahme in der weiterhin bestehenden Pensionspferdehaltung darstellte. Die Ungewissheit über das Vorliegen der Einkünfteerzielungsabsicht der Klägerin wurde nicht bereits im Rahmen der Betriebsprüfung durch Frau C beseitigt, sondern dauerte anschließend fort. Die Ablaufhemmung aus § 171 Abs. 8 Satz 1 AO endete folglich (noch) nicht. Festsetzungsverjährung für die Streitjahre ist nicht eingetreten.
Finanzgericht Hamburg, Urteil vom 2. April 2014 – 3 K 244/13